Samstag, 7. Februar 2009

Abschlussdeklaration des WSF

Nach einer ereignisreichen Woche geht das WSF zu Ende. In abschließenden Foren zu den einzelnen Themen wird eine gemeinsame Deklaration erarbeitet: "Wir zahlen nicht für diese Krise. Die Reichen müssen sie bezahlen" lautet das Fazit der sozialen Bewegungen. Die gegenwärtigen Krisen (Ernährung, Finanzen, Wirtschaft, Klima, Energie, Migration) seien in einem System verankert, das sich auf Ausbeutung und die Umsetzung individueller Interessen auf Kosten der gemeinschaftlichen Interessen stütze.
Kernforderungen beinhalten daher unter anderem: Maßnahmen zur Sicherstellung von Ernährungs- und Energiesouveränität, Garantie der Rechte auf Land, Arbeit, Bildung und Gesundheit für alle und Demokratisierung der Medien und Kommunikationsmittel. Beschlossen wurde daher ein globaler Aktionstag am 28. März, im Vorfeld des nächsten G-20-Gipfels zur neuen Finanzarchitektur. Auch in Österreich wird sich dazu einiges tun.
Mit vielen Bildern, Eindrücken, Begegnungen und Informationen bereichert treten wir den Weg nach Hause an.

„Feministische Ökonomie stellt Sinn und Zweck von Ökonomie in Frage“


...sagt Gigi Francisco, Vertreterin von DAWN („Development Alternatives with Women for a New Era“ – ein Netzwerk feministischer Wissenschafterinnen aus dem Süden, das sich für wirtschaftliche Gerechtigkeit, Geschlechtergerechtigkeit und Demokratie einsetzt. ) beim Workshop „Alternative Entwicklungsmodelle aus feministischer Perspektive.
Bei den Debatten um die globale Wirtschaftskrise zeigen sich die Unterschiede zum herkömmlichen Wirtschaftsverständnis deutlich: Bei feministischen Wirtschaftstheorien gehe es um Vorsorge und Fürsorge für Menschen statt um Profitanhäufung und „effiziente Marktorganisation“.
Beim Ansatz der „Ethics of Care“ steht daher die Frage der gerechten Verteilung von Ressourcen und Verantwortlichkeiten im Vordergrund. „Warum ist es für Regierungen so einfach, Gelder für Banken zu mobilisieren und gleichzeitig so schwierig, Geld für die Erreichung der 0.7% bereit zu stellen?“
Eine neue Finanzarchitektur brauche daher nicht nur irgendeine neue Regulierung – sondern eine Regulierung, die ein Wirtschaftssystem fördert, wo Versorgung im Mittelpunkt steht, Menschenrechte mehr gelten als Eigentumsrechte, Markt- und Finanzkonzentration Einhalt geboten wird und die Verantwortung für Fürsorge gleichermaßen zwischen Frauen und Männern geteilt wird (mehr Infos:
http://www.dawnnet.org/).

Auch im Workshop „After the DOHA Conference – Financing für DEvelopment“ am Folgetag geht es um die Finanz- und Wirtschaftskrise. Jens Martensen und andere geben Einblick in den Ablauf der Konferenz und erläutern den politischen Fahrplan für die nächsten Wochen, inklusive einer Analyse der strategischen Einflussmöglichkeiten für die Zivilgesellschaft.
Ende Mai ist ein UNO Gipfel zu den Folgen der Finanzkrise geplant, die sog. Stiglitz-Kommission wird den Bericht dafür vorbereiten. Es wird von entscheidender Bedeutung sein, die Informationen der Zivilgesellschaft (Auswirkungen vor Ort) und die notwendigen Maßnahmen aus Sicht der sozialen Bewegungen einzubringen.

Montag, 2. Februar 2009

Eine andere Welt planen... Steueroasen schließen, mehr Geld für Entwicklung

Zweiter Tag des WSF, und der erste mit inhaltlichem Programm. Das Veranstaltungsgelände ist weitläufig, und so auch die inhaltliche Bandbreite. Bei einem Seminar zur Finanzkrise spricht John Christensen, Direktor des Tax Justice Networks, der zuletzt im Dokumentarfilm „Let's make money“ Aufsehen erregt hat - mit seinen Einblicken in die Welt der Steueroasen. „Tax havens are the engines of chaos“ - als Schattenökonomie beherbergen sie geschätzte 11.3 Billionen $ des weltweiten Privatvermögens und über sie werden etwa 50 % des Welthandels abgewickelt - dies allerdings ohne jede Aufsicht oder Regulierung.

Kernaufgabe der Steueroasen ist dabei - wie der Name schon sagt - reichen Privatleuten und großen Firmen dabei zu helfen, Steuerzahlungen zu vermeiden. Dabei wären laut Christensen Steuern das maßgebliche Instrument auch für Entwicklungspolitik und Armutsbekämpfung. Die „Hilfszahlungen“ des Nordens an den Süden wären obsolet, und die politische Autonomie der Länder des Südens in Bezug auf die Gestaltung ihrer Entwicklung gesichert.

Die politische Tendenz gehe allerdings derzeit in eine andere Richtung: Besonders London habe ein starkes Interesse, möglichst schnell zum „Business as usual“ zurückzukehren, sagt Christensen. Kein Wunder, da die City of London in den 80er Jahren gezielt zu einer der größten Steueroasen dereguliert und damit der „Finanzplatz London“ erst geschaffen wurde. Das Stichwort „Development“ stößt unter den TeilnehmerInnen des WSF übrigens auf keine besondere Begeisterung - wenn ich erzähle, was ich beruflich tue, stoße ich meist auf ein kurzes beredtes Schweigen.